07.10.2025

Green Shooting Talk: Florian Reimann

Florian Reimann, CEO von Yamdu, über das Nachhaltigkeits-Modul und die Partnerschaft mit KlimAktiv bei der Bilanzierung des CO2-Fußabdrucks direkt in Yamdu

KlimAktiv (KA): Was ist Yamdu und für wen ist es gedacht?

Florian Reimann (FR): Yamdu ist eine Webanwendung zum Management von Filmproduktionen. Es bietet ein breites Spektrum an Funktionen, vom Drehbuchimport und KI-unterstützen Auszügen, über Stabverwaltung, über departmentspezifische Features wie Casting, Location Management, Szenenbild usw., über Dateiversand mit automatischen Wasserzeichen bis hin zur Drehplanung und automatisierten Tagesdispositionen. Dazu gibt es eine mobile App für iOS und Android, die sich vornehmlich an die Crew am Set richtet und unter anderem einfache Zeiterfassung erlaubt.

 

KA: Wie funktioniert das neue Nachhaltigkeits-Modul bei Yamdu?

FR: Das Nachhaltigkeits-Modul ist ein Feature, das grundsätzlich allen Nutzern und Nutzerinnen von Yamdu zur Verfügung steht. Gratis dabei sind der PEAR-Rechner der PGA Green und der neue MEDIA Carbon Calculator der Europäischen Kommission. Mit einem kleinen Add-On kommt das neue KlimAktiv-Paket dazu, inklusive Green Shooting Rechner. Yamdu per se ist kein eigenständiger Rechner, sondern fungiert vielmehr als zentrales Tool zur einfachen Erfassung von Produktions- und Aktivitätsdaten, die dann über das gewünschte Rechenprofil zu CO2e-Werten umgerechnet werden können. Damit verbunden ist die praktische Exportfunktion für diverse nationale Berichtstandards. So ist die Emissionserfassung vollständig in den Produktionsablauf integriert.

 

KA: Welche Vorteile haben User durch die Bilanzierung des CO2-Fußabdrucks direkt in Yamdu?

FR: Zum einen können zahlreiche Aktivitätsdaten mit einem Klick aus den anderen Bereichen von Yamdu importiert werden. Das gilt zum Beispiel für die Drehorte und Studios samt Angaben rund um Stromverbrauch, Müllentsorgung, Heizung, Anzahl der Drehtage usw. Oder zum Beispiel aus Yamdus umfangreicher Reiseplanung für Cast und Crew mit Daten zu Flügen, PKW-Fahrten, Treibstoffverbräuchen, Hotelübernachtungen und vielem mehr. Derartige Daten werden mit einem Klick in eine CO2e-Bilanz importiert und automatisch zu CO2e umgerechnet. Inklusive praktischer Updatefunktion, wenn die Bilanz während der laufenden Produktion erstellt wird. Dies beschleunigt die Bilanzierung immens, da nicht alle Daten erst aufwändig gesammelt und abgetippt werden müssen.

Zudem erleichtert Yamdu die Kommunikation im Team, da für jede Aktivität eine Kommentarfunktion zur Verfügung steht, um rasch andere Departments nach mehr Infos fragen zu können.

Ein weiterer Vorteil sind die Funktionen zur Nachweisführung. Zu jeder Aktivität können beliebig viele Nachweise (Rechnungen, Quittungen, Zertifikate etc.) hochgeladen werden. Diese werden automatisch nach der Struktur des Berichts durchnummeriert. Zu jedem Zeitpunkt kann die Produktion oder ein Green Consultant einen Bericht samt aller Belege in einem ZIP in strukturierter Form herunterladen, um diese zum Beispiel an die Förderung bzw. eine Prüfgesellschaft wie die PWC übergeben. Dazu gehört auch eine klare Statusübersicht, so dass Green Consultants die jeweiligen CO2e-Bilanzen und Szenarien bequem updaten und anzeigen können, ob Aktivitäten noch in Überprüfung oder final (und damit gesperrt) sind – oder gar „nicht gezählt“ werden sollen, z.B. um Doppelerfassungen zu vermeiden, zum Beispiel im Rahmen CSRD-konformer Berichte.

 

KA: Ein besonderer Vorteil von Yamdu kommt bei internationalen Ko-Produktionen zum Tragen, nicht wahr?

FR: Absolut. Yamdu entfaltet seine volle Kraft bei internationalen Ko-Produktionen. Yamdu bietet einen zentralen Ort zur Erfassung aller Aktivitätsdaten über alle Länder, alle Produktionspartner und alle Departments hinweg. Damit ergibt sich ein Gesamtbild von CO2e-Emisisonen mit nie dagewesener Genauigkeit. Gleichzeitig lassen sich aber die jeweils nationalen, förderkonformen Berichte erstellen. Diese berücksichtigen in der Regel nur jene Aktivitäten, die in ein bestimmtes Rechenprofil fallen. Für Yamdu haben wir ein umfangreiches Mapping zwischen allen bisher integrierten CO2e-Rechnern durchgeführt und die diversen Eingabeformen harmonisiert. Damit erlaubt Yamdu ein sekundenschnelles Filtern der Daten nach den jeweils gewünschten Rechen- und Berichtsstandards ohne jeglichen Mehraufwand für den Green Consultant. Nehmen wir beispielsweise an, ich produziere als deutsche Firma in Deutschland, aber mit einem Ko-Produktionspartner und ein paar Drehtagen in Österreich. Dazu kommen weitere Drehtage und die Post-Produktion in Tschechien. Natürlich kann ich einstellen, dass nur ein Rechenprofil Anwendung finden soll, zum Beispiel dass alles gemäß den Richtlinien des deutschen Green Shooting Profils errechnet wird. Das ist natürlich kein Problem. Aber Yamdu geht darüber hinaus: Das Nachhaltigkeitsfeature erlaubt auch eine automatische Zuordnung der Aktivitäten nach Land und auf Wunsch eine Zuteilung der jeweils passenden Rechenprofile. Dafür wählt man einfach nur „Internationales Rechnerprofil“ aus. In unserem Beispiel werden dann alle deutschen Aktivitäten nach dem Verfahren des Green Shooting Rechners verarbeitet und die entsprechend FFA-konformen Berichte (CO2e-Bilanz und Abschlussbericht) enthalten eben nur diese Emissionen. Der österreichische Anteil wird auf Wunsch nach dem österreichischen Profil von KlimAktiv gerechnet (was also dem Standard des Evergreen Prisma-Rechners entspricht). Und für Tschechien nimmt Yamdu die nationalen Faktoren des neuen MEDIA Carbon Calculators der EU und generiert ebenso den EU-konformen Bericht hierfür. Auf dem Dashboard in Yamdu hat man dabei immer die Möglichkeit, alle Emissionen und Aktivitäten zu sehen oder eben nach Ländern gefiltert. Natürlich kann man auch jederzeit eine Gesamtbilanz exportieren, die auch klar ausweist, welche Rechenprofile hier Anwendung gefunden haben. Bisher sind folgende Rechner integriert: die vier Rechner von KlimAktiv mit Faktoren für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Norditalien (IDM). Hinzu kommen die Faktoren von PEAR mit Schwerpunkt für die USA, Kanada und Australien. Und neuerdings der europäische MEDIA Carbon Calculator mit ausgewählten Faktoren für die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Natürlich sind wir in Gesprächen mit weiteren etablierten Rechnern in Europa.

 

KA: Wieso habt ihr euch für KlimAktiv als Partner für dieses Feature entschieden?

FR: Vertrauen! Bei unserer Recherche haben wir gelernt, dass es in diesem Bereich leider sehr viele fragwürdige Anbieter gibt bei denen uns nicht ganz klar ist, auf welcher Grundlage Aktivitätsdaten zu CO2e-Werten umgerechnet werden. Das ist bei KlimAktiv anders, da hier mit höchster Qualität gearbeitet wird. Zudem kann KlimAktiv inzwischen auf eine lange Erfahrung im Bereich der Film- und Medienproduktionen zurückgreifen. Und Branchenkenntnis ist in unserer kleinen Industrie immer wichtig. Zu guter Letzt stimmt einfach die Chemie. Die Zusammenarbeit zwischen den Teams von KlimAktiv und Yamdu funktioniert reibungslos. Sowohl bei dieser Integration als auch bei der Entwicklung des MEDIA Carbon Calculators.

 

KA: Wie sind eure Erfahrungen bei der Einbindung der Emissionsfaktoren des Green Shooting CO₂-Rechners in Yamdu?

FR: Wie heißt es schon bei Effi Briest: Ein weites Feld (lacht). Zu Beginn der Reise war uns nicht ganz klar, welchen Detailgrad all dies erfordert. Und die Einbindung der 40 neuen Faktoren diesen Sommer hat das nicht gerade vereinfacht. Aber wir sind superstolz darauf, dass wir es geschafft haben, alle erforderlichen Felder in Yamdu zu integrieren, um dem hohen Standard des Green Shooting Rechners zu entsprechen: Gleiches gilt freilich bezüglich des CO2e-Berichts und des Abschlussberichts. Und wir sind froh, dass auch die MFG und die FFA beeindruckt sind, wie nahtlos und vollständig all dies in Yamdu integriert ist – und dabei auch noch kompatibel mit allen anderen Rechenprofilen bleibt.

 

KA: Wo steht ihr gerade bei der Entwicklung? Welche Rückmeldungen gab es bisher von den Test-Usern?

FR: Wie immer ist es so, dass User am Anfang skeptisch sind, wenn es um neue Tools geht. Aber wir haben festgestellt, dass das Interesse an einer Vereinfachung der CO2e-Bilanzierung hoch ist. Und es ist allen Branchenteilnehmern klar, dass es zumindest in Europa keinen Weg zurück gibt. Auch wenn die volle Ausgestaltung von CSRD etwas geschoben wurde, so ist und bleibt Nachhaltigkeit ein Thema, das auch in unserer Industrie weiterhin Bedeutung haben wird. Und damit ist auch diese Integration in Yamdu und die Partnerschaft mit KlimAktiv eine Nachhaltige. Und das sagen uns auch bestehende Yamdu-Kunden, die es einfach nur großartig finden, das Yamdu nun auch CO2e-Bilanzierung erlaubt, was die Datenfassung in Yamdu umso wertvoller macht. Ebenso gutes Feedback hören wir von Förderungen oder Mitgliedern der EBU (European Broadcasting Union), die es begrüßen, dass Yamdu kein eigener (wieder neuer) Rechner sein will, sondern vielmehr das geschafft hat, was lange für undenkbar gehalten wurde: Die großen, etablierten Rechner der audiovisuellen Industrie zu vereinen und damit länderübergreifend Standards zu respektieren, aber Arbeitsabläufe zu vereinfachen.

 

KA: Was wünschst du dir für die Zukunft? 

FR: Erstmal keine grundlegend neuen Aktivitätsdaten, nachdem nun nach dem letzten Update selbst Toilettenpapier berechnet werden kann (lacht). Nein, wir wünschen uns, dass diese Reise weitergeht und weitere Partner auf den Zug aufspringen. Wir sind natürlich wie bereits erwähnt mit den weiteren, international bekannten Rechnern im Austausch. Und wir glauben, dass Yamdu eine einzigartige Chance zum Abgleichen zwischen den verschiedenen Standards in ganz Europa – aber auch in der globalen Filmindustrie ermöglicht. Emissionen machen nicht an Landesgrenzen halt. Und wir sehen auch in anderen Bereichen von Produktionsworkflows, dass Filmproduktion zunehmend global betrachtet werden muss. Yamdu leistet einen kleinen Beitrag dazu, dass Filmschaffende und Produktionsfirmen bereits vor oder während der Produktion mit CO2e-Werten und deren Bedeutung und Ursachen konfrontiert werden. Natürlich mit dem Ziel, somit noch Handlungsoptionen zu haben und zu prüfen, wie sich Emissionen senken lassen. Das ist doch was!

 


Florian Reimann, CEO von Yamdu, ist ein versierter Produzent in der europäischen Filmindustrie. Im Laufe seiner Karriere hat er an einer Vielzahl von Film-, Fernseh-, Werbe- und Dokumentarfilmprojekten gearbeitet und dafür zahlreiche Auszeichnungen erhalten sowie sein Fachwissen auf allen Ebenen der Unterhaltungsindustrie vertieft. Im Laufe seiner Karriere hat Florian Kenntnisse in fast allen Phasen der Medienproduktion erworben, von der Entwicklung und Finanzierung über die physische Produktion bis hin zum Vertrieb. Nachdem er die Notwendigkeit der Digitalisierung von Medienproduktionsprozessen erkannt hatte, wagte er den Sprung in die IT-Branche, um mit Yamdu die Vorproduktionsabläufe für verschiedene Medienprojekte zu verbessern.

Darüber hinaus ist Florian Projektleiter für den MEDIA Carbon Calculator, ein CO2e-Rechner-Tool für die audiovisuelle Industrie, das das Yamdu-Team im Auftrag der Europäischen Kommission entwickelt.

Aufgrund seiner Beiträge zur Branche hat sich Florian als Gastredner einen Namen gemacht. Er hat wertvolle Einblicke in die Datenkonsolidierung, das Projektmanagement und die Workflow-Optimierung gegeben, die entscheidende Aspekte des Filmproduktionsprozesses sind. Florian ist Mitglied der HPA Hollywood Professional Association und nimmt mit Yamdu auch am MovieLabs Industry Forum teil – Hollywoods führendem Think Tank für Workflows.

 

© Foto: Reiko Kolatsk
© Logo: Yamdu

Zurück zur Übersicht